Besuch bei Jan Lange

Was hat ein Bericht über meinen privater Besuch beim ehemaligen Neustifter Pfarrer Jan Lange auf der pfarrlichen Homepage zu suchen? Ich denke er hat schon eine gewisse Berechtigung! Denn sehr oft wurde ich gefragt, wie es Jan Lange denn gehe und meine Erzählungen stießen allseits auf großes Interesse. So entschloss ich mich diesen Text zu verfassen.
Es ist das zweite Adventwochenende. Nach einer langen Fahrt, vorbei an riesigen Kohlegruben im deutsch-polnischen Grenzgebiet, geht es über entlegene Nebenstraßen durch ausgedehnte Wälder in die Nähe der Stadt Drezdenko in die kleine Gemeinde Rąpin. Schon im vergangenen Sommer war ich mit meinem Fahrrad in dieser Gegend und hatte mich bis zum Wohnhaus von Jan Lange durchgefragt. Leider traf ich ihn damals nicht an, weil er gerade auf Urlaub bei seinem Bruder in seinem Heimatort nördlich von Danzig weilte. Auch jetzt habe zunächst wenig Glück. Ich läute an der Hausglocke, doch es öffnet niemand. Wie ich tags darauf erfahre ist Jan Lange gerade spazieren. Gerne genießt er die Natur um Rąpin und tankt Kraft beim Durchstreifen der ausgedehnten Wälder.
Am Sonntagmorgen bin ich erfolgreicher. Jan Lange winkt mir schon von seinem Fenster im ersten Stock zu und empfängt mich danach in einem kleinen Salon. Alles wirkt sehr sauber und gepflegt. Hin und wieder komme jemand zum Aufräumen vorbei, aber das Meiste mache er alleine, erzählt er. Auch das Essen bereite er sich noch regelmäßig selbst zu. Im Ort gibt es eine kleine Greißlerei, einen Sklep, wo er einkaufte.



Es ist schon sehr lange her, dass wir einander zum letzten Mal sahen. Es war wohl bei einer Fronleichnamsprozession in Neustift, als er als Aushilfspriester vom Stift Klosterneuburg entsandt wurde. Wir versuchen zu rekonstruieren wann dies genau war, aber es gelingt uns nicht. Er sieht aus wie eh und je. Etwas abgenommen habe er, sagt er. Im vergangen Sommer musste er wegen Herzproblemen ein paar Tage ins Spital. Aber sonst gehe es ihm dem Alter entsprechend gut.



Ich übergebe ein paar Kleinigkeiten, welche ich aus Neustift mitgebracht habe. Interessiert stellt er viele Fragen und erkundigt sich nach diesem und jenem. Fast alle kennt er noch mit Namen. Etwas traurig wird er, als er hört, dass einige seiner ehemaligen Pfarrschäfchen mit schweren Krankheiten zu kämpfen haben oder mittlerweile gar verstorben sind. Im Alter denke man doch hin und wieder darüber nach, was denn passiere, wenn es einmal vorüber sein sollte. Aber was solle denn schon passieren, wenn man gut vorbereitet ist. Vom Pfarrleben kann ich ihm kaum Neuigkeiten berichten. Er ist bestens informiert, lese regelmäßig die aktuellen Informationen der Pfarrhomepage. Wir unterbrechen unsere Plauderei und gehen hinüber in die nahe Kirche Marie Himmelfahrt.
Die Hl. Messe ist sehr gut besucht. Jan Lange setzt sich hinten in den Beichtstuhl und nimmt fast während des ganzen Gottesdienstes Bußsakramente ab. Danach werde ich Zeuge eines netten Brauches. Von einem als Nikolo verkleideten Gemeindemitglied erhalten die Kinder Süßigkeiten. Die Kirchenbesucher bleiben nach der Hl. Messe noch lange stehen und tratschen. Meine Anwesenheit fällt natürlich auf und ich werde angesprochen was ich denn hier mache, und woher ich Jan Lange denn kenne. Mehrere Leute in dieser Gegend sprechen hervorragend Deutsch.



Jan Lange hat nicht viel Zeit zum Verweilen. Er muss weiter in die nächste Katastralgemeinde, wo er die Hl. Messe selbst zelebriert. Ich bringe ihn mit dem Auto dort hin. Er fahre selbst nicht mehr mit dem Auto. Zu wenig Vertrauen habe er in die riskante Fahrweise seiner polnischen Mitbürger. Die zweite Kirche liegt mitten im Wald. Rąpin ist eine Streusiedlung und die Gläubigen kommen aus allen Richtungen mit dem Auto. Dort angekommen sucht er sofort das Gespräch mit den Pfarrbürgern und eilt auf eine Gruppe von Frauen zu. Von seiner Predigt verstehe ich natürlich kaum etwas, aber seine Gestik und Mimik und die ruhige Ausstrahlung sind mir noch von früher sehr vertraut.







Anschließend geht es in das kleine Städtchen Drezdenko. Nahezu zu jedem Straßenzug und Haus fällt Jan Lange eine kleine Geschichte ein. Als junger Kaplan sei er hier schon tätig gewesen. Sehr geschätzt habe er den damaligen evangelischen Pastor mit seiner Familie. In dieser Gegend gibt es für polnische Verhältnisse einen relativ hohen Anteil von Protestanten. Jan Lange lässt es sich nicht nehmen in einem Restaurant zum Essen einzuladen. Es gibt ausgezeichneten polnischen Borscht – ein klare Suppe aus roten Rüben – und russische Pirroggen – mit Topfen gefüllte Teigtaschen. Jan Lange bestellt sich ein Wiener Schnitzel, oder besser gesagt die polnische Variante davon. Es schmecke schon gut sagt er, aber natürlich kein Vergleich zum Essen bei den Neustifter Heurigen.


Wiener Schnitzel auf polnisch – „Schmeckt ganz gut, aber beim Wolff war es besser!”

Mit etwas Wehmut erzählt er von seiner Zeit im Stift und seinem überraschenden Abschied von Klosterneuburg. Er habe sich dort immer sehr wohlgefühlt. Vor allem mit den beiden anderen Ausländern, damit meint er die Herren Georg – einen Belgier - und Martin – einen Holländer, habe er sich immer sehr gut vertragen. Zur Erinnerung trägt er hin und wieder Herrn Georgs Alba. Gerne habe er die Rolle des Gastmeisters ausgefüllt und Vertretungen, wie zuletzt jene in Donaufeld, übernommen. Aber auch in Rąpin werde ihm jetzt nicht langweilig er habe eine Aufgabe gefunden, welche ihn ausfüllt. Er übersetze die Schriften des Hl. Augustinus ins Polnische. Eine interessante Aufgabe, welcher er sich regelmäßig widme. Zurück in Rąpin gibt es noch ein Abschiedsfoto, ehe ich mich mit den besten Wünschen an die Neustifterinnen und Neustifter im Gepäck auf die Heimreise nach Wien mache.



Bericht von Christian Dohlhofer

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